U-Werte richtig ermitteln: So lesen Sie den Energieausweis
U-Werte sind die Grundlage jeder Heizlastberechnung – doch viele SHK-Betriebe tun sich schwer damit, die richtigen Werte zu ermitteln. Dieser Artikel zeigt Ihnen, wie Sie U-Werte korrekt aus dem Energieausweis ablesen, fehlende Werte nachschlagen und typische Fehlerquellen vermeiden.
Was ist der U-Wert und warum ist er so wichtig?
Der U-Wert (früher k-Wert genannt) beschreibt den Wärmedurchgangskoeffizienten eines Bauteils. Er gibt an, wie viel Wärme pro Quadratmeter Fläche und Kelvin Temperaturdifferenz durch ein Bauteil entweicht.
Definition U-Wert:
U-Wert = Wärmedurchgang in W/(m² · K)
Je niedriger der U-Wert, desto besser die Dämmung.
- • U = 0,15 W/(m²K) → Sehr gut gedämmte Passivhaus-Wand
- • U = 0,24 W/(m²K) → KfW 55 Standard (Neubau)
- • U = 1,4 W/(m²K) → Ungedämmte Außenwand (Altbau 1960er)
- • U = 2,5 W/(m²K) → Einfachverglasung (Altbau vor 1980)
Warum sind U-Werte für die Heizlastberechnung entscheidend?
Die Heizlast eines Gebäudes ergibt sich aus den Transmissionswärmeverlusten (über die Gebäudehülle) und den Lüftungswärmeverlusten. Für die Transmissionsverluste gilt:
Formel Transmissionswärmeverlust:
Q = A × U × ΔT
Q = Wärmeverlust in Watt
A = Bauteilfläche in m²
U = U-Wert in W/(m²K)
ΔT = Temperaturdifferenz innen/außen in K
Beispiel: Eine 20 m² große Außenwand mit U = 1,4 W/(m²K) bei -10°C Außentemperatur und +20°C Innentemperatur:
Q = 20 m² × 1,4 W/(m²K) × 30 K = 840 Watt Wärmeverlust
Würde diese Wand nachträglich gedämmt (U = 0,24 W/(m²K)), sinkt der Verlust auf nur noch 144 Watt – eine Reduktion um 83%!
Methode 1: U-Werte aus dem Energieausweis ablesen
Der Energieausweis ist die erste Anlaufstelle für U-Werte. Seit 2009 müssen bei Verkauf oder Vermietung Energieausweise vorgelegt werden – die meisten Bestandsgebäude verfügen daher über einen solchen Ausweis.
Zwei Arten von Energieausweisen:
| Typ | Verbrauchsausweis | Bedarfsausweis |
|---|---|---|
| Grundlage | Tatsächlicher Energieverbrauch (3 Jahre) | Berechneter Energiebedarf (bauphysikalisch) |
| U-Werte enthalten? | ❌ Nein | ✓ Ja (Anlage) |
| Nutzen für Heizlastberechnung | Gering – U-Werte müssen nachgeschlagen werden | Hoch – alle Bauteile dokumentiert |
⚠️ Wichtig zu wissen
Nur der Bedarfsausweis enthält detaillierte U-Werte der einzelnen Bauteile (in der Anlage "Bauteil-U-Werte" oder "Energetische Qualität der Bauteile").
Beim Verbrauchsausweis müssen Sie die U-Werte über das Baujahr und ggf. Sanierungsmaßnahmen abschätzen (siehe Methode 2).
So lesen Sie U-Werte aus dem Bedarfsausweis ab:
- 1. Anlage "Energetische Bewertung" aufschlagen: Meist auf Seite 3-5 des Energieausweises
- 2. Tabelle "Bauteile und deren U-Werte" suchen: Dort sind alle relevanten Bauteile aufgelistet
- 3. Werte in Ihre Heizlastberechnung übernehmen:
- • Außenwand (z.B. U = 0,28 W/(m²K))
- • Dach/Oberste Geschossdecke (z.B. U = 0,20 W/(m²K))
- • Fenster (z.B. U = 1,30 W/(m²K))
- • Kellerdecke/Bodenplatte (z.B. U = 0,35 W/(m²K))
✓ Praxis-Tipp
Falls der Energieausweis nur pauschale U-Werte angibt (z.B. "Außenwand: 0,24-0,35"), verwenden Sie für die Heizlastberechnung den ungünstigsten Wert (hier: 0,35), um auf der sicheren Seite zu sein.
Methode 2: U-Werte über Baujahr und Bauteilkatalog ermitteln
Wenn kein Bedarfsausweis vorliegt oder dieser veraltet ist, müssen Sie die U-Werte über das Baujahr und typische Bauweisen abschätzen.
Typische U-Werte nach Baujahr (Außenwand):
| Baujahr | Bauweise | Typischer U-Wert (W/m²K) | Qualität |
|---|---|---|---|
| Vor 1918 | Vollziegel, 50 cm, ungedämmt | 1,6 - 2,0 | Sehr schlecht |
| 1919-1948 | Hohlziegel, 30-38 cm | 1,4 - 1,7 | Sehr schlecht |
| 1949-1968 | Hohlblock, Leichtbeton | 1,0 - 1,4 | Schlecht |
| 1969-1978 | 1. WSchVO, leicht gedämmt | 0,8 - 1,2 | Mäßig |
| 1979-1983 | 2. WSchVO, 4-8 cm Dämmung | 0,5 - 0,8 | Befriedigend |
| 1984-1994 | 3. WSchVO, 8-12 cm Dämmung | 0,4 - 0,6 | Gut |
| 1995-2001 | WSchVO 95, 12-16 cm Dämmung | 0,3 - 0,5 | Gut |
| 2002-2008 | EnEV 2002, 14-18 cm Dämmung | 0,25 - 0,35 | Sehr gut |
| 2009-2015 | EnEV 2009, 16-20 cm Dämmung | 0,20 - 0,28 | Sehr gut |
| Ab 2016 | EnEV 2014/GEG, 18-24 cm | 0,15 - 0,24 | Exzellent |
*Diese Werte gelten für unsanierte Gebäude. Bei nachträglicher Dämmung können die U-Werte deutlich besser sein.
Typische U-Werte für weitere Bauteile:
Fenster:
- • Einfachverglasung (vor 1980): U = 5,0-6,0 W/(m²K)
- • Isolierverglasung (1980-1995): U = 2,5-3,0 W/(m²K)
- • 2-fach-Verglasung (1995-2010): U = 1,3-1,8 W/(m²K)
- • 3-fach-Verglasung (ab 2010): U = 0,7-1,1 W/(m²K)
Dach/Oberste Geschossdecke:
- • Ungedämmt (vor 1980): U = 1,5-2,5 W/(m²K)
- • Leicht gedämmt (1980-1995): U = 0,5-0,8 W/(m²K)
- • Gedämmt nach EnEV (ab 2002): U = 0,20-0,35 W/(m²K)
- • KfW 55 Standard: U = 0,14-0,20 W/(m²K)
Kellerdecke/Bodenplatte:
- • Ungedämmt: U = 0,8-1,5 W/(m²K)
- • Gedämmt (8 cm): U = 0,35-0,50 W/(m²K)
- • Gedämmt (12 cm): U = 0,25-0,35 W/(m²K)
Noch mehr U-Wert-Tabellen nach Baujahr und Bauteil finden Sie in unserem Artikel U-Wert Tabellen nach Baujahr.
Methode 3: U-Werte durch Bauteilaufnahme vor Ort ermitteln
Wenn weder Energieausweis noch zuverlässige Baujahr-Daten vorliegen, bleibt nur die Bauteilaufnahme vor Ort.
Vorgehensweise:
- 1. Außenwand ausmessen:
- • Innenmaß zwischen zwei Räumen nehmen
- • Außenmaß (z.B. vom Balkon) nehmen
- • Differenz = Wandstärke
- 2. Bauweise bestimmen:
- • Vollziegel (schwer, massiv, 50+ cm dick)
- • Hohlblock (leichter, 30-40 cm)
- • Leichtbeton (porös, 30-36 cm)
- • Kalksandstein (sehr schwer, 24-36 cm)
- 3. Dämmung prüfen:
- • Fassade optisch prüfen (Wärmedämmverbundsystem erkennbar?)
- • Fensterleibung prüfen (tiefe Fensterbank = dicke Wand/Dämmung)
- • Ggf. Eigentümer nach Sanierungen fragen
- 4. U-Wert aus Bauteilkatalog nachschlagen:
Mit Wandstärke und Bauweise können Sie den U-Wert in standardisierten Bauteilkatalogen (z.B. IWU-Bauteilkatalog) nachschlagen.
💡 Tool-Empfehlung: IWU-Bauteilkatalog
Das Institut Wohnen und Umwelt (IWU) stellt kostenlos einen detaillierten Bauteilkatalog zur Verfügung, der typische U-Werte für deutsche Gebäude nach Baujahr und Bauweise enthält.
Download unter: www.iwu.de → Publikationen → Deutsche Gebäudetypologie
Die 5 häufigsten Fehler bei U-Wert-Ermittlung
1. Verbrauchsausweis mit Bedarfsausweis verwechselt
→ Nur der Bedarfsausweis enthält U-Werte! Beim Verbrauchsausweis müssen Sie über Baujahr schätzen.
2. Nachträgliche Dämmung nicht berücksichtigt
→ Fragen Sie unbedingt nach Sanierungen! Eine 12 cm Fassadendämmung reduziert den U-Wert von 1,4 auf 0,24 W/(m²K).
3. Pauschale "Sicherheitszuschläge" auf U-Werte
→ Die DIN EN 12831 enthält bereits Sicherheitsfaktoren. Zusätzliche Zuschläge führen zu massiver Überdimensionierung.
4. Fenster-U-Wert mit Verglasung-U-Wert verwechselt
→ Der Fenster-U-Wert (Uw) liegt immer höher als der Glaswert (Ug), da Rahmen schlechter dämmen. Verwenden Sie immer den Gesamt-U-Wert des Fensters!
5. U-Werte aus veralteten Energieausweisen (älter als 10 Jahre)
→ Wenn in der Zwischenzeit saniert wurde, sind die alten Werte falsch. Immer nachfragen!
Praxis-Beispiel: U-Werte für typisches Einfamilienhaus ermitteln
Objektdaten:
- • Einfamilienhaus, freistehend
- • Baujahr: 1975
- • Keine nachträgliche Dämmung
- • Kein Bedarfsausweis vorhanden
Ermittelte U-Werte:
| Bauteil | Annahme/Messung | U-Wert (W/m²K) | Quelle |
|---|---|---|---|
| Außenwand | Hohlblock, 36 cm, ungedämmt (vor 1. WSchVO) | 1,2 | IWU-Katalog, Bj. 1969-1978 |
| Fenster | Isolierverglasung, Holzrahmen (Original 1975) | 2,8 | IWU-Katalog, Isolierverglasung |
| Dach | Satteldach, ungedämmt (nur Ziegeldeckung) | 1,8 | IWU-Katalog, ungedämmtes Dach |
| Kellerdecke | Betondecke, ungedämmt (Keller unbeheizt) | 1,2 | IWU-Katalog, Betondecke unbeheizt |
Ergebnis: Mit diesen U-Werten kann eine Heizlastberechnung nach DIN EN 12831 durchgeführt werden. Die Werte sind typisch für ein unsaniertes 1970er-Jahre-Haus.
Zusammenfassung: So ermitteln Sie zuverlässig U-Werte
- 1. Prüfen Sie zuerst den Energieausweis: Bedarfsausweis enthält alle U-Werte in der Anlage – einfach ablesen!
- 2. Bei Verbrauchsausweis: Baujahr + IWU-Katalog nutzen: Typische U-Werte nach Epoche nachschlagen
- 3. Nachträgliche Sanierungen berücksichtigen: Fassadendämmung, neue Fenster → deutlich bessere U-Werte!
- 4. Bei Unsicherheit: Vor-Ort-Aufnahme: Wandstärke messen, Bauweise bestimmen, Katalog verwenden
- 5. Keine pauschalen Zuschläge: Die Norm enthält bereits Sicherheit – realistische Werte verwenden
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