U-Werte richtig ermitteln: So lesen Sie den Energieausweis

SHK-Fachredaktion5 Min. Lesezeit

U-Werte sind die Grundlage jeder Heizlastberechnung – doch viele SHK-Betriebe tun sich schwer damit, die richtigen Werte zu ermitteln. Dieser Artikel zeigt Ihnen, wie Sie U-Werte korrekt aus dem Energieausweis ablesen, fehlende Werte nachschlagen und typische Fehlerquellen vermeiden.

Was ist der U-Wert und warum ist er so wichtig?

Der U-Wert (früher k-Wert genannt) beschreibt den Wärmedurchgangskoeffizienten eines Bauteils. Er gibt an, wie viel Wärme pro Quadratmeter Fläche und Kelvin Temperaturdifferenz durch ein Bauteil entweicht.

Definition U-Wert:

U-Wert = Wärmedurchgang in W/(m² · K)

Je niedriger der U-Wert, desto besser die Dämmung.

  • • U = 0,15 W/(m²K) → Sehr gut gedämmte Passivhaus-Wand
  • • U = 0,24 W/(m²K) → KfW 55 Standard (Neubau)
  • • U = 1,4 W/(m²K) → Ungedämmte Außenwand (Altbau 1960er)
  • • U = 2,5 W/(m²K) → Einfachverglasung (Altbau vor 1980)

Warum sind U-Werte für die Heizlastberechnung entscheidend?

Die Heizlast eines Gebäudes ergibt sich aus den Transmissionswärmeverlusten (über die Gebäudehülle) und den Lüftungswärmeverlusten. Für die Transmissionsverluste gilt:

Formel Transmissionswärmeverlust:

Q = A × U × ΔT

Q = Wärmeverlust in Watt
A = Bauteilfläche in m²
U = U-Wert in W/(m²K)
ΔT = Temperaturdifferenz innen/außen in K

Beispiel: Eine 20 m² große Außenwand mit U = 1,4 W/(m²K) bei -10°C Außentemperatur und +20°C Innentemperatur:

Q = 20 m² × 1,4 W/(m²K) × 30 K = 840 Watt Wärmeverlust

Würde diese Wand nachträglich gedämmt (U = 0,24 W/(m²K)), sinkt der Verlust auf nur noch 144 Watt – eine Reduktion um 83%!

Methode 1: U-Werte aus dem Energieausweis ablesen

Der Energieausweis ist die erste Anlaufstelle für U-Werte. Seit 2009 müssen bei Verkauf oder Vermietung Energieausweise vorgelegt werden – die meisten Bestandsgebäude verfügen daher über einen solchen Ausweis.

Zwei Arten von Energieausweisen:

TypVerbrauchsausweisBedarfsausweis
GrundlageTatsächlicher Energieverbrauch (3 Jahre)Berechneter Energiebedarf (bauphysikalisch)
U-Werte enthalten?❌ Nein✓ Ja (Anlage)
Nutzen für HeizlastberechnungGering – U-Werte müssen nachgeschlagen werdenHoch – alle Bauteile dokumentiert

⚠️ Wichtig zu wissen

Nur der Bedarfsausweis enthält detaillierte U-Werte der einzelnen Bauteile (in der Anlage "Bauteil-U-Werte" oder "Energetische Qualität der Bauteile").

Beim Verbrauchsausweis müssen Sie die U-Werte über das Baujahr und ggf. Sanierungsmaßnahmen abschätzen (siehe Methode 2).

So lesen Sie U-Werte aus dem Bedarfsausweis ab:

  1. 1. Anlage "Energetische Bewertung" aufschlagen: Meist auf Seite 3-5 des Energieausweises
  2. 2. Tabelle "Bauteile und deren U-Werte" suchen: Dort sind alle relevanten Bauteile aufgelistet
  3. 3. Werte in Ihre Heizlastberechnung übernehmen:
    • • Außenwand (z.B. U = 0,28 W/(m²K))
    • • Dach/Oberste Geschossdecke (z.B. U = 0,20 W/(m²K))
    • • Fenster (z.B. U = 1,30 W/(m²K))
    • • Kellerdecke/Bodenplatte (z.B. U = 0,35 W/(m²K))

✓ Praxis-Tipp

Falls der Energieausweis nur pauschale U-Werte angibt (z.B. "Außenwand: 0,24-0,35"), verwenden Sie für die Heizlastberechnung den ungünstigsten Wert (hier: 0,35), um auf der sicheren Seite zu sein.

Methode 2: U-Werte über Baujahr und Bauteilkatalog ermitteln

Wenn kein Bedarfsausweis vorliegt oder dieser veraltet ist, müssen Sie die U-Werte über das Baujahr und typische Bauweisen abschätzen.

Typische U-Werte nach Baujahr (Außenwand):

BaujahrBauweiseTypischer U-Wert (W/m²K)Qualität
Vor 1918Vollziegel, 50 cm, ungedämmt1,6 - 2,0Sehr schlecht
1919-1948Hohlziegel, 30-38 cm1,4 - 1,7Sehr schlecht
1949-1968Hohlblock, Leichtbeton1,0 - 1,4Schlecht
1969-19781. WSchVO, leicht gedämmt0,8 - 1,2Mäßig
1979-19832. WSchVO, 4-8 cm Dämmung0,5 - 0,8Befriedigend
1984-19943. WSchVO, 8-12 cm Dämmung0,4 - 0,6Gut
1995-2001WSchVO 95, 12-16 cm Dämmung0,3 - 0,5Gut
2002-2008EnEV 2002, 14-18 cm Dämmung0,25 - 0,35Sehr gut
2009-2015EnEV 2009, 16-20 cm Dämmung0,20 - 0,28Sehr gut
Ab 2016EnEV 2014/GEG, 18-24 cm0,15 - 0,24Exzellent

*Diese Werte gelten für unsanierte Gebäude. Bei nachträglicher Dämmung können die U-Werte deutlich besser sein.

Typische U-Werte für weitere Bauteile:

Fenster:

  • • Einfachverglasung (vor 1980): U = 5,0-6,0 W/(m²K)
  • • Isolierverglasung (1980-1995): U = 2,5-3,0 W/(m²K)
  • • 2-fach-Verglasung (1995-2010): U = 1,3-1,8 W/(m²K)
  • • 3-fach-Verglasung (ab 2010): U = 0,7-1,1 W/(m²K)

Dach/Oberste Geschossdecke:

  • • Ungedämmt (vor 1980): U = 1,5-2,5 W/(m²K)
  • • Leicht gedämmt (1980-1995): U = 0,5-0,8 W/(m²K)
  • • Gedämmt nach EnEV (ab 2002): U = 0,20-0,35 W/(m²K)
  • • KfW 55 Standard: U = 0,14-0,20 W/(m²K)

Kellerdecke/Bodenplatte:

  • • Ungedämmt: U = 0,8-1,5 W/(m²K)
  • • Gedämmt (8 cm): U = 0,35-0,50 W/(m²K)
  • • Gedämmt (12 cm): U = 0,25-0,35 W/(m²K)

Noch mehr U-Wert-Tabellen nach Baujahr und Bauteil finden Sie in unserem Artikel U-Wert Tabellen nach Baujahr.

Methode 3: U-Werte durch Bauteilaufnahme vor Ort ermitteln

Wenn weder Energieausweis noch zuverlässige Baujahr-Daten vorliegen, bleibt nur die Bauteilaufnahme vor Ort.

Vorgehensweise:

  1. 1. Außenwand ausmessen:
    • • Innenmaß zwischen zwei Räumen nehmen
    • • Außenmaß (z.B. vom Balkon) nehmen
    • • Differenz = Wandstärke
  2. 2. Bauweise bestimmen:
    • • Vollziegel (schwer, massiv, 50+ cm dick)
    • • Hohlblock (leichter, 30-40 cm)
    • • Leichtbeton (porös, 30-36 cm)
    • • Kalksandstein (sehr schwer, 24-36 cm)
  3. 3. Dämmung prüfen:
    • • Fassade optisch prüfen (Wärmedämmverbundsystem erkennbar?)
    • • Fensterleibung prüfen (tiefe Fensterbank = dicke Wand/Dämmung)
    • • Ggf. Eigentümer nach Sanierungen fragen
  4. 4. U-Wert aus Bauteilkatalog nachschlagen:

    Mit Wandstärke und Bauweise können Sie den U-Wert in standardisierten Bauteilkatalogen (z.B. IWU-Bauteilkatalog) nachschlagen.

💡 Tool-Empfehlung: IWU-Bauteilkatalog

Das Institut Wohnen und Umwelt (IWU) stellt kostenlos einen detaillierten Bauteilkatalog zur Verfügung, der typische U-Werte für deutsche Gebäude nach Baujahr und Bauweise enthält.

Download unter: www.iwu.de → Publikationen → Deutsche Gebäudetypologie

Die 5 häufigsten Fehler bei U-Wert-Ermittlung

1. Verbrauchsausweis mit Bedarfsausweis verwechselt

→ Nur der Bedarfsausweis enthält U-Werte! Beim Verbrauchsausweis müssen Sie über Baujahr schätzen.

2. Nachträgliche Dämmung nicht berücksichtigt

→ Fragen Sie unbedingt nach Sanierungen! Eine 12 cm Fassadendämmung reduziert den U-Wert von 1,4 auf 0,24 W/(m²K).

3. Pauschale "Sicherheitszuschläge" auf U-Werte

→ Die DIN EN 12831 enthält bereits Sicherheitsfaktoren. Zusätzliche Zuschläge führen zu massiver Überdimensionierung.

4. Fenster-U-Wert mit Verglasung-U-Wert verwechselt

→ Der Fenster-U-Wert (Uw) liegt immer höher als der Glaswert (Ug), da Rahmen schlechter dämmen. Verwenden Sie immer den Gesamt-U-Wert des Fensters!

5. U-Werte aus veralteten Energieausweisen (älter als 10 Jahre)

→ Wenn in der Zwischenzeit saniert wurde, sind die alten Werte falsch. Immer nachfragen!

Praxis-Beispiel: U-Werte für typisches Einfamilienhaus ermitteln

Objektdaten:

  • • Einfamilienhaus, freistehend
  • • Baujahr: 1975
  • • Keine nachträgliche Dämmung
  • • Kein Bedarfsausweis vorhanden

Ermittelte U-Werte:

BauteilAnnahme/MessungU-Wert (W/m²K)Quelle
AußenwandHohlblock, 36 cm, ungedämmt (vor 1. WSchVO)1,2IWU-Katalog, Bj. 1969-1978
FensterIsolierverglasung, Holzrahmen (Original 1975)2,8IWU-Katalog, Isolierverglasung
DachSatteldach, ungedämmt (nur Ziegeldeckung)1,8IWU-Katalog, ungedämmtes Dach
KellerdeckeBetondecke, ungedämmt (Keller unbeheizt)1,2IWU-Katalog, Betondecke unbeheizt

Ergebnis: Mit diesen U-Werten kann eine Heizlastberechnung nach DIN EN 12831 durchgeführt werden. Die Werte sind typisch für ein unsaniertes 1970er-Jahre-Haus.

Zusammenfassung: So ermitteln Sie zuverlässig U-Werte

  1. 1. Prüfen Sie zuerst den Energieausweis: Bedarfsausweis enthält alle U-Werte in der Anlage – einfach ablesen!
  2. 2. Bei Verbrauchsausweis: Baujahr + IWU-Katalog nutzen: Typische U-Werte nach Epoche nachschlagen
  3. 3. Nachträgliche Sanierungen berücksichtigen: Fassadendämmung, neue Fenster → deutlich bessere U-Werte!
  4. 4. Bei Unsicherheit: Vor-Ort-Aufnahme: Wandstärke messen, Bauweise bestimmen, Katalog verwenden
  5. 5. Keine pauschalen Zuschläge: Die Norm enthält bereits Sicherheit – realistische Werte verwenden

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