Heizlastberechnung für Mehrfamilienhaus – Schritt für Schritt

SHK-Fachredaktion
8 Min. Lesezeit
Mehrfamilienhäuser (MFH) stellen besondere Anforderungen an die Heizlastberechnung nach DIN EN 12831. Im Gegensatz zum Einfamilienhaus müssen Wohnungsgrenzen, Gleichzeitigkeitsfaktoren und zentrale Versorgung berücksichtigt werden. Dieser Artikel zeigt praxisnah, wie Sie systematisch vorgehen.

Warum ist MFH-Heizlastberechnung komplexer?

Bei Mehrfamilienhäusern gibt es spezifische Herausforderungen, die bei Einfamilienhäusern nicht auftreten:

Besonderheiten bei MFH:

  • Wohnungsgrenzen: Innenwände zwischen Wohnungen haben meist keine Wärmeverluste (gleiche Soll-Temperatur), während Wände zum Treppenhaus sehr wohl verlieren.
  • Gleichzeitigkeitsfaktor: Nicht alle Wohnungen werden gleichzeitig maximal beheizt. Bei größeren MFH kann ein Reduktionsfaktor angesetzt werden.
  • Treppenhaus & Keller: Unbeheizte Bereiche müssen separat betrachtet werden, da sie als "Pufferzone" wirken.
  • Unterschiedliche Sanierungsstände: Oft wurden nur einzelne Wohnungen modernisiert, was zu unterschiedlichen U-Werten führt.

Schritt 1: Gebäudedaten erfassen

Beginnen Sie mit einer systematischen Bestandsaufnahme des gesamten Gebäudes:

Checkliste Gebäudedaten:

  • ✓ Baujahr des Gebäudes
  • ✓ Anzahl Wohnungen und Geschosse
  • ✓ Gebäudeorientierung (Himmelsrichtungen)
  • ✓ Durchgeführte Sanierungen mit Datum
  • ✓ Art der Heizungsverteilung (Steigleitungen, Etagen-Verteiler)
  • ✓ Lüftungskonzept (Fensterlüftung oder mechanisch)
  • Norm-Außentemperatur für den Standort (nach PLZ)

Schritt 2: Wohnungsweise Bestandsaufnahme

Jede Wohnung wird einzeln erfasst. Erstellen Sie eine Tabelle mit folgenden Spalten:

WohnungEtageFläche (m²)Besonderheiten
WE 01EG65Neue Fenster 2020
WE 02EG72Original-Zustand
WE 031. OG68Vollsaniert 2018
Summe205

Schritt 3: U-Werte ermitteln

Die U-Werte sind entscheidend für die Genauigkeit der Berechnung. Bei MFH müssen Sie oft mit unterschiedlichen Werten arbeiten:

✓ Ideal: Energieausweis vorhanden

Der Energieausweis enthält oft die U-Werte für Außenwand, Fenster, Dach und Kellerdecke. Diese können Sie direkt übernehmen.

⚠ Alternative: Baujahr-Tabellen

Ohne Energieausweis nutzen Sie U-Wert Tabellen nach Baujahr. Achtung: Teilsanierungen einzelner Wohnungen müssen berücksichtigt werden!

Schritt 4: Raumweise Heizlast berechnen

Jetzt beginnt die eigentliche Berechnung. Für jeden Raum in jeder Wohnung berechnen Sie:

Formel: Transmissionswärmeverlust (ΦT)

ΦT = Σ(A × U × ΔT × fx)

Dabei ist:

  • • A = Fläche des Bauteils (m²)
  • • U = U-Wert des Bauteils (W/m²K)
  • • ΔT = Temperaturdifferenz innen/außen (K)
  • • fx = Temperaturkorrekturfaktor (für unbeheizte Räume)

Wichtig: Wohnungsgrenzen richtig behandeln

Angrenzender BereichWärmeverlust?Begründung
Nebenwohnung (beheizt)NeinGleiche Soll-Temperatur, kein ΔT
Treppenhaus (unbeheizt)Jafx = 0,3 (ca. 15°C Treppenhaus)
AußenluftJafx = 1,0 (voller Temperaturunterschied)

Schritt 5: Gleichzeitigkeitsfaktor anwenden

Bei größeren MFH (ab ca. 6 Wohnungen) wird nicht davon ausgegangen, dass alle Wohnungen gleichzeitig die volle Heizlast abrufen. Die DIN EN 12831 erlaubt einen Gleichzeitigkeitsfaktor:

Gleichzeitigkeitsfaktor nach Anzahl Wohnungen:

  • 1-5 Wohnungen: Faktor 1,0 (100% gleichzeitig)
  • 6-10 Wohnungen: Faktor 0,95 (95%)
  • 11-20 Wohnungen: Faktor 0,90 (90%)
  • > 20 Wohnungen: Faktor 0,85 (85%)

Achtung: Dieser Faktor ist optional und muss mit dem Bauherrn/Planer abgestimmt werden. Für BAFA-Förderung wird oft der volle Wert (1,0) gefordert.

Praxisbeispiel: 6-Familienhaus

Gebäudedaten:

  • • Baujahr 1978, teilsaniert 2015
  • • 6 Wohnungen (3× EG, 3× 1. OG)
  • • Standort: Frankfurt/Main (-10°C)
  • • Außenwand: U = 0,35 (gedämmt 2015)
  • • Fenster: U = 1,3 (neu 2015)
  • • Dach: U = 0,20 (gedämmt 2015)
  • • Kellerdecke: U = 0,45
  • • Treppenhaus: unbeheizt

Ergebnis:

Heizlast WE 01 (EG, 65 m²)
4.850 W
Heizlast WE 02 (EG, 72 m²)
5.320 W
Heizlast WE 03 (1. OG, 68 m²)
4.920 W
Gesamt-Gebäudeheizlast: 31,2 kW
(Summe aller 6 Wohnungen + Verluste Treppenhaus 1,8 kW)

Die 5 häufigsten Fehler bei MFH-Heizlastberechnung

1. Wohnungsgrenzen als Außenwand behandelt

Innenwände zwischen beheizten Wohnungen haben KEINE Wärmeverluste. Nur Wände zum unbeheizten Treppenhaus zählen!

2. Teilsanierungen nicht berücksichtigt

Wenn eine Wohnung neue Fenster hat, andere aber nicht, müssen Sie unterschiedliche U-Werte verwenden. Sonst ist die Berechnung ungenau.

3. Treppenhaus-Verluste vergessen

Das unbeheizte Treppenhaus verursacht Wärmeverluste an allen angrenzenden Wohnungswänden. Diese müssen mit fx = 0,3 eingerechnet werden.

4. Gleichzeitigkeitsfaktor falsch angewendet

Der Gleichzeitigkeitsfaktor wird NACH Summierung aller Wohnungsheizlasten multipliziert, nicht vorher bei einzelnen Räumen!

5. Dachgeschoss-Wohnungen unterschätzt

Oberste Geschosse haben oft 20-30% höhere Heizlast durch große Dachflächen. Nicht einfach Durchschnittswerte annehmen!

Software-Unterstützung für MFH

Aufgrund der Komplexität empfiehlt sich bei MFH professionelle Software:

  • Hottgenroth: Marktführer mit MFH-Modul, automatische Wohnungsgrenzen-Erkennung
  • C.A.T.S. Warema: Sehr detailliert, ideal für komplexe Sanierungsfälle
  • Thermopt: Spezialisiert auf Wärmepumpen in MFH

Für erste Abschätzungen können Sie unseren Heizlast-Schnellrechner nutzen, der für einzelne Wohnungen geeignet ist.

✓ Zusammenfassung

  • ✓ MFH-Heizlastberechnung erfordert wohnungsweise Detailplanung
  • ✓ Wohnungsgrenzen haben keine Wärmeverluste (gleiche Temperatur)
  • ✓ Treppenhaus und Kellerdecke als unbeheizte Bereiche berücksichtigen
  • ✓ Gleichzeitigkeitsfaktor nur bei > 6 Wohnungen und nach Absprache
  • ✓ Teilsanierungen einzelner Wohnungen separat dokumentieren
  • ✓ Professionelle Software für BAFA-Förderung empfohlen

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Tags:MehrfamilienhausDIN EN 12831Praxis